Wie finde ich eine Partei für mich?
Die Einleitung interessiert Dich nicht? Scroll runter zu „Wie bediene ich das?“, um zu erfahren, wie Du eine passende Partei findest; zu „Wie erkenne ich Populismus?“, um zu erfahren, wie Du Rattenfängern nicht auf den Leim gehst; und zu „Wie wähle ich?“ um zu erfahren, wie Du an der Wahl teilnehmen kannst, auch wenn Du etwa am 26. Mai nicht hingehen kannst.
Die Wahl zum Europäischen Parlament rückt mit großen Schritten näher. Im Laufe der hiesigen Diskussionen zu Artikel 13/17 und Co fiel von einigen Leuten die Aussage, dass diese ganze Geschichte für sie ein Grund ist, jetzt doch wählen zu gehen – sie aber sich schwer damit tun, die passende Partei zu finden.
Ich möchte eine Art „Anfängeranleitung“ erstellen, um Euch den Einstieg in das Thema und die Wahl einer für Euch passenden Partei zu erleichtern. Dabei werde ich mich bemühen, politisch möglichst neutral vorzugehen. Das heißt aber nicht, dass ich so tun werde, als seien Populismus, Hass und offensichtlicher Bullshit legitime Meinungen wie jede andere – ich werde daher auch erklären, wie man Populisten erkennt und meidet.
YourVoteMatters.eu (YVM) ist eine europaweite Parteiensuchhilfe. Die Macher von YVM haben dafür 25 Abstimmungen aus den wichtigsten Themenfeldern der jetzt endenden Legislaturperiode (d.h. der Zeit seit der letzten Wahl) ausgesucht. Dass die Abstimmung zur Urheberrechtsreform nicht dabei ist, mag auf den ersten Blick erstaunen, aber erstens hat das Thema leider nunmal nicht ansatzweise so viele Menschen interessiert, wie wir uns erhofft haben – und zweitens ging der Riss teilweise mitten durch die Fraktionen, so dass die Aussagekraft zu den Positionen der jeweiligen Gesamtpartei etwas eingeschränkt ist. Außerdem erinnern wir uns an das Thema ja ohnehin selbst 😉
Dieses Prinzip von YVM hat einen sehr großen Vorteil: Wir sehen das tatsächliche Abstimmungsverhalten der Abgeordneten. Man muss sich also, anders als beim Lesen des Parteiprogramms, nicht den Kopf zerbrechen, wie glaubwürdig die Versprechen der Partei sind. Ein Beispiel wäre etwa der Unterschied zwischen den Aussagen gewisser Personen zum Thema Uploadfilter und ihrem tatsächlichen Abstimmungsverhalten im Ministerrat.
Eine Ausnahme sind natürlich diejenigen Parteien und Kandidaten, die noch nicht im EU-Parlament vertreten waren – sie durften die Fragen für YVM frei beantworten. Für sie hat aber naturgemäß noch niemand Erfahrungswerte.
Ein zweiter großer Vorteil für Neueinsteiger: Dir werden hier nicht einfach unkommentiert Fragen um die Ohren gehauen. Zu jedem Thema stehen ausführliche Informationen bereit, klar und einfach formuliert! Ein Block Argumente für die These, ein Block Argumente dagegen – und eine Schilderung der Debatte und Ergebnisse im EU-Parlament. So kann man sich auch zu Themen, mit denen man sich bislang nicht oder kaum auseinandergesetzt hat, eine recht fundierte Meinung bilden.
WIE BEDIENE ICH DAS?
Gehe auf https://yourvotematters.eu/ und klicke auf „Finde Dein Match“. Jetzt wird kurz erklärt, wie das System funktioniert und es werden Dein Land, Alter und Geschlecht (m/w/d) abgefragt. Diese persönlichen Daten sind rein freiwillig und müssen nicht angegeben werden! Die nationale Auswertung funktioniert aber nur, wenn Du ein Land angibst.
Nach dem Klick auf „Start“ erscheint die erste Frage. Darunter ist die Gewichtung (!, !! oder !!!), hier kannst Du also angeben, wie wichtig Dir das Thema ist. Darunter selbsterklärend „Dafür“, „Enthalten“ und „Dagegen“.
Danach kommt das eigentlich interessante: Die Argumente für und gegen! Diese Texte sind so einfach wie möglich formuliert, so dass man auch ohne Vorkenntnisse und Fachbegriffe das Thema nachvollziehen kann. Wenn man „Mehr Details“ ausklappt, wird die zugrundeliegende Debatte und Abstimmung im EU-Parlament beschrieben. Dieser Text nimmt teilweise Bezug auf konkrete Beiträge und Entwürfe, so dass er teilweise dann doch ein wenig Vorkenntnisse erfordert. Dabei wird auch immer grob angegeben, wie die Abstimmung ausging. Die Positionen der Parteien erfahren wir an dieser Stelle noch nicht, da das uns sonst bei der eigenen Antwort unterbewusst beeinflussen kann. Beantwortest Du die Frage, geht es automatisch mit der nächsten weiter.
Nach der letzten Frage erscheint eine Übersicht über all Deine Antworten. Hier kannst Du nochmal nachprüfen, dass alles stimmt, bevor Du auf „Bestätigen und Ergebnisse zeigen“ klickst.
Bei den Ergebnissen erwartet uns der nächste Clou: Zunächst werden Abgeordnete (kurz MEP) und Kandidaten aus ganz Europa angezeigt, sortiert nach Übereinstimmungsrate mit Deinen Antworten. Die Personen sind dabei farblich kodiert: Ein gelber Hintergrund kennzeichnet neue Kandidaten, die noch nicht im Parlament waren. Ein rosa Hintergrund zeigt MEP an, die erneut kandidieren und blau steht für MEP, die nicht erneut zur Wahl stehen.
Bei der Wahl zum europäischen Parlament können wir nicht für einzelne Personen stimmen (wie man es etwa von Gemeinderatswahlen kennt), sondern nur für Listen. Daher ist diese Einzelübersicht zwar interessant, aber nur eingeschränkt hilfreich. Unter der Überschrift „Mein Match“ sind aber zwei Auswahlmöglichkeiten vorhanden: Wir können zwischen „EU“ und „National“ wählen sowie zwischen „Politiker“ und „Gruppen“. Mit „EU“ und „Gruppen“ erhalten wir die Fraktionen des EP. Mein einziger Wermutstropfen an dieser Seite: Man kriegt die nationalen Mitglieder der Fraktionen nicht angezeigt.
Beim Klick auf „National“ erscheinen die MEP und Kandidaten aus Deutschland. Ein weiterer Klick auf „Parteien“ zeigt uns nun die deutschen Parteien, nach Übereinstimmung sortiert.
Unter „Wo stehen sie?“ finden sich übrigens noch die Positionierungen einiger Organisationen, Bildungseinrichtungen und Lobbygruppen. Hier kann man sich bedienen, wenn man noch ein paar weitere Denkanstöße benötigt. Bekannte deutsche Organisationen sind aber leider nicht vertreten. Außerdem findet man hier nochmal eine Übersicht über alle MEP und Kandidaten und kann ihre Antworten nachschlagen.
WIE ERKENNE ICH POPULISMUS?
Der Duden definiert Populismus folgendermaßen: „Von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen (im Hinblick auf Wahlen) zu gewinnen.“ Ganz einfach ausgedrückt: Populisten greifen die „Sorgen und Ängste“ ihrer Zielgruppe auf und bestärken sie in diesen, statt sich der Tatsache zu stellen, dass die Realität doch etwas anders und komplexer ist. Ein einfaches Beispiel wäre etwa Trump und der Klimawandel: Der menschlich bedingte Klimawandel besteht. Daran gibt es nichts zu rütteln, die überwältigende Mehrheit der Wissenschaftler weltweit hat seine Existenz bestätigt. Trotzdem gibt es Politiker und Parteien, die diese Tatsache ignorieren und sich hinstellen mit der Aussage „Es gibt keinen menschgemachten Klimawandel!“, weil sie wissen, dass ihre Anhänger sich davon verunsichert fühlen und Angst vor den notwendigen Veränderungen haben.
Auch neigen Populisten oft dazu, vermeintlich einfache Lösungen zu präsentieren und den Anderen vorzuwerfen, absichtlich und unnötig kompliziert zu reden. Aber wenn man die Interessen von hunderten Millionen Menschen, die Umwelt, wirtschaftliche Aspekte und vieles mehr unter einen Hut bringen muss, gibt es nunmal nur sehr selten einfache Lösungen.
Lasst Euch nicht täuschen – diese Leute wissen sehr genau, dass das nicht stimmt, was sie sagen. Es ist ihnen nur egal. Populisten können Menschen sehr gut ansprechen, vor allem Menschen, die sich von der allgemeinen Politik abgehängt und ignoriert fühlen. Aber sie machen nichts für diese Menschen, sie machen nur was für sich. Die aktuelle Ibiza-Affaire in unserem schönen Nachbarland Österreich ist ein sehr eindrückliches Beispiel dafür.
WIE WÄHLE ICH?
Du solltest eine Wahlbenachrichtigung erhalten haben. Auf dieser steht drauf, wo genau Dein Wahlraum ist. Aber keine Sorge! Wenn Du die Wahlbenachrichtigung nicht mehr hast, kannst Du auch so hingehen! Du brauchst lediglich Deinen Personalausweis oder Reisepass, um Dich auszuweisen. Vor Ort kriegst Du dann den Stimmzettel und auch eine Erklärung, was Du weiter machen musst. Da man bei der EU-Wahl ohnehin nur eine Partei und keine einzelnen Personen wählen kann, geht das ganz schnell und einfach. Beachte, dass je nach Bundesland eventuell auch andere Abstimmungen beiliegen – etwa in Baden-Württemberg sind gleichzeitig Kommunalwahlen. Diese Stimmzettel kriegst Du ebenfalls erklärt und sie sind auch klar und einfach beschriftet. Du kannst auch nur einen Teil der Abstimmungen und Wahlen mitmachen – ich empfehle aber, auch die Kommunalwahl mitzumachen: Das betrifft Dich und Deinen Ort schließlich am direktesten!
Wenn Du am 26. Mai nicht hingehen kannst oder möchtest, kannst Du auch mit der Wahlbenachrichtigung zu Deiner Gemeinde, etwa ins Rathaus, gehen und Dir dort einen Wahlschein und die Briefwahlunterlagen geben lassen. Diese sind ebenfalls sehr klar und deutlich beschriftet und erklärt. Die Briefwahl kannst Du direkt ausfüllen und wieder abgeben oder aber daheim ausfüllen. Die daheim ausgefüllten Unterlagen kannst Du entweder per Post (rechtzeitig abschicken!) ohne Briefmarke versenden oder selbst am Rathaus bzw. der auf dem Umschlag angegebenen Adresse abgeben.
Hoffentlich konnte ich Dir mit diesem Text helfen, in das Thema einzusteigen! Vielen Dank an meine Korrektor*innen und Tippgeber*innen an dieser Stelle =)
Übrigens – Du kannst den Text auch gerne woanders teilen. Credits: Quork Q’Tar/Aegfindor Skogsfred, ursprünglich für die Dodocommunity geschrieben.